Mittwoch, 8. August 2012

Cocktailklassiker (3): Martini Cocktail

Letztes Wochenende war ich an meinem Lieblingsort zum Cocktails trinken: der Melody Bar in Düsseldorf. Nicht, dass ich so wahnsinnig viel Erfahrung mit Cocktailbars hätte, aber ich erkenne einen guten Martini oder einen guten Whiskey Sour, wenn man ihn mir vorsetzt. Die Drinks sind nicht ganz billig, aber was sein muss, muss sein und zwar einmal im Jahr am Geburtstag von jemanden, der sonst nur wenig Wünsche hat.
Während meine Freunde eben die genannten Getränke konsumiert haben - ich hab alles probiert, ausgezeichnet - hatte ich zuerst einen Virgin Mary (wegen der großen Menge zuvor in mich reingeschüttetes Altbier). Wer denkt, ein Virgin Mary sei einfach ein Tomatensaft mit Salz und Pfeffer und vielleicht Tabasco, irrt entweder, oder die Leute da in der Melody Bar haben wahnsinnig guten Tomatensaft und wahnsinnig gutes Salz und wahnsinnig guten Pfeffer.
Danach hab ich noch einen Sidecar getrunken, der ja seit letztens einer meiner Lieblingsdrinks ist und auch der war ziemlich gut, wobei ich noch lieber einen English Sidecar gehabt hätte, also die Variante mit mehr Cognac. Man muss sich aber auch überlegen, wie sehr man sich in so einer Bar zum Clown machen möchte - der Sidecar stand sowieso schon nicht auf der Karte. Mit mehr Geld hätte ich mich mit Vergnügen durch die ganze Karte getrunken und darüber hinaus noch alle Cocktailnamen gesagt, die mir so einfallen.

In der bei heart cooks brain beliebten Reihe "Cocktailklassiker aus der Literatur" geht es heute weiter mit dem Martini Cocktail.
Für den Martini lassen sich sicher unzählige literarische Referenzen nennen: James Bond ist die erste die mir einfällt, nach kurzer Recherche stößt man auf John Updikes "Ehepaare", ein Roman, in dem sich Ehepaare in einer amerikanischen Kleinstadt der Sechzigerjahre zu Cocktailparties und zum Tennis treffen. Wenn man ein bisschen gründlicher sucht oder nachdenkt, findet man sicher noch viel mehr literarische Erwähnungen.
Das Buch, das ich als Anlass nahm, um mir heute einen Martini Cocktail zu genehmigen, ist Lockruf des Goldes von Jack London (1910). Es handelt sich dabei um einen Abenteuerroman, der unter anderem Londons eigene Erlebnisse während des Klondike-Goldrauschs am Ende des neunzehnten Jahrhunderts beschreibt. Der Protagonist, Burning Daylight genannt, beendet etwa in der Mitte des Romans sein Leben als Abenteurer auf Flößen und in Hütten und versucht, sein Bedürfnis nach risikoreichen Unternehmungen in San Franciso und New York bei Börsenspekulationen und anderen Abenteuern der Großstadt zu befriedigen. Hier findet auch die Szene statt, in der er sich in ein Geschäft verwickeln lässt, das ihn später kurzzeitig finanziell ruinieren wird.

Sie tranken - das heißt, Nathaniel Letton trank Mineralwasser, das von dem lautlos wirkenden Automaten von Lakaien, der das Haus bewohnte, serviert wurde, während Dowsett einen Whisky-Soda und Daylight einen Cocktail nahm. Keiner schien etwas Ungewöhnliches an einem Martini um Mitternacht zu finden, obwohl Daylight scharf beobachtete; denn er hatte längst gelernt, daß ein Martini seine bestimmte Zeit und Stelle hatte. Aber er liebte Martini und wollte als Naturmensch die Freiheit haben zu trinken, wann und wo es ihm paßte. Andere hätten vielleicht die eigentümliche Gewohnheit beachtet, nicht so Dowsett und Letton, und Daylights geheimer Gedanke war: "Die würden auch nicht mit der Wimper zucken, wenn ich ein Glas ätzendes Sublimat verlangte."

Auch ich (als Naturmensch) nehme mir die Freiheit heraus, zu trinken, wo und wann es mir passt; ohne die Sensibilität für den richtigen Moment zu verlieren (als Stadtmensch).

Das Buch ist übrigens nicht besonders aufregend, wenn man keinen Faible für Abenteurromane aus dem 19./20. Jahundert hat. Zunächst wird keinerlei Spannung aufgebaut, dann ist klar, worauf es hinausläuft - Daylight, der vor nichts Angst hat außer vor Frauen, heiratet irgendwann seine Sekretärin, die sich lange ziert, und zieht mit ihr zurück aufs Land, wo er hingehört, weg aus der Großstadt, die ihn verweichlicht und zerstört. Alkohol trinkt er dann übrigens auch keinen mehr. Fast keinen:

Daylight hatte kein Enthaltsamkeitsgelübde getan, aber dennoch seit dem Tage, da er sich vom Geschäft zurückgezogen hatte, keinen Tropfen Alkohol angerührt. Bald war er jedoch stark genug, ein Glas trinken zu können, ohne sofort ein zweites folgen zu lassen. Andererseits war der Drang zu trinken von dem Augenblick an, als er sich auf dem Lande niedergelassen hatte, vollkommen verschwunden. Er spürte kein Verlangen nach Alkohol und vergaß sogar, daß er existierte. Doch er wollte sich nicht davor fürchten, und wenn ihm der Kaufmann in der Stadt hin und wieder etwas anbot, pflegte er zu sagen: "Schön, mein Sohn! Wenn es Ihnen Spaß macht, daß ich ein Glas mit Ihnen trinke, gern. Geben Sie mir einen Whisky."

Auch, wenn wir es ihm natürlich anrechnen, dass es sich vor Alkohol nicht "fürchtet", wollen wir uns an Daylights neuer herablassender Art kein Beispiel nehmen. (Ich vermute, in dieser Passage drückt London das Verhältnis zum Alkohol aus, das er sich selbst für sich gewünscht hätte.)
Wer Lust hat auf einen Roman von Jack London, dem kann ich sein letztes und unvollendetes Werk "Das Mordbüro" sehr ans Herz legen. Es handelt sich dabei um einen satirischen Krimi, in dem der Chef einer Agentur, die Auftragsmorde ausführt, seinen Mitarbeitern befiehlt, ihn selbst umzubringen. Klingt albern und das ist es auch - aber albern und lustig und klug und gut geschrieben. Dazu passt ein Martini sicher ausgezeichnet.






Ja, ich habe jetzt auch Cocktailgläser. Da hat wohl der Superfreund wieder seine Finger im Spiel.

Dies sind zwei Martini mit jeweils 11 Teilen Gin und 3 Teilen Wermut, gerührt, mit links einer Olive und rechts einem Streifen Zitronenschale. Das Mischverhältnis ist eine Wissenschaft für sich; wer etwas auf sich hält, trinkt seinen Martini trocken, also auch mit (wenig) trockenem Wermut. Schön und poetisch finde ich Luis Buñuels Rezept für einen (sehr) trockenen Martini: "hold up a glass of gin next to a bottle of vermouth and let a beam of sunlight pass through". Ich habe kein Sonnenlicht parat und halte mich an die Rezeptur der International Bartenders Association, lediglich den trockenen habe ich durch weißen Wermut ersetzt.


Martini Cocktail

Zutaten
  •  55 ml Gin
  • 15 ml Wermut, hier bianco, für trockenen Martini trockenen Wermut verwenden
  • eine grüne Olive oder ein Streifen Zitronenschale; für einen sog. Gibson eine Silberzwiebel
  • Eis 

Zubereitung

Gin, Wermut und Eis in ein Gefäß geben und verrühren. Zitronenschale oder Olive in ein Cocktailglas geben und den Martini ohne Eis darauf abgießen.

3 Kommentare:

  1. Ich habe in letzter Zeit die zwei Klassiker Pimm's Cup und Tom Collins kennen und schätzen gelernt und kann sie dir nur ans Herz legen.
    Vielleicht kommen die ja auch in irgendeinem Buch vor?
    Den Tom Collins nennen die bei der IBA wohl auch John, aber das ist anscheinend der gleiche Drink.

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  2. Klingt beides super. Gibts bestimmt mal!

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